Transport Management

Profitieren Sie von Freihandelsabkommen

Welche Vorteile und welche Bedeutung haben Freihandelsabkommen, insbesondere die neuen zwischen der EU und Singapur bzw. Vietnam?

Die Bedeutung von Freihandelsabkommen

Freihandelsabkommen sind für internationale Wirtschaftsbeziehungen unverzichtbar geworden. Sie stehen für starke wirtschaftliche Interessen auf beiden Seiten führen zu einer engeren Beziehung zwischen den beteiligten Staaten. Für Unternehmen steigern sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit, es entstehen neue Lieferketten und Absatzmärkte.
Sich im Unternehmen mit der Bedeutung und den Vorteilen von Freihandelsabkommen bzw. Präferenzabkommen zu beschäftigen, ist zugegebenermaßen, erst einmal mit „viel theoretischer Arbeit“ verbunden. Wer sich hier auskennt, kann durch optimierte Preiskalkulationen oder Zolleinsparungen sich und seinen Kunden permanente Wettbewerbsvorteile verschaffen. Der Wegfall von Handelsbarrieren senkt den Preis für Importprodukte und die Nachfrage steigt.
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Schweiz gehörte 1973 zu den ersten seiner Art. Im ständigen Warenverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz ist es heute selbstverständlich und unentbehrlich geworden.

Die EU und Singapur haben im Oktober 2018 nach jahrelangen Verhandlungen ein Freihandelsabkommen geschlossen. Der Handelsteil des bilateralen Abkommens ist im November 2019 in Kraft getreten. Das separate Abkommen zum Investitionsschutz muss noch durch die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten gelangen.
Fast alle Zölle sollen in den nächsten Jahren entfallen. Bestehende Zollverfahren werden vereinfacht und hohe Standards und Regeln festgelegt. Der Dienstleistungsbereich wird zunehmend geöffnet. Unternehmen aus der EU sollen Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Singapur erhalten. Durch die ASEAN-Kumulierung wird zudem sichergestellt, dass Waren mit Ursprung in anderen ASEAN-Staaten ebenso zollfrei in die EU eingeführt werden dürfen.
Insgesamt ist der relativ kleine Stadtstaat Singapur zu einem der wichtigsten Handelspartner für Deutschland im ASEAN-Raum geworden. Für die EU ist Singapur der vierzehntgrößte (Waren-) Handelspartner und der größte Handelspartner im ASEAN-Raum. Mehr als 1.700 deutsche Unternehmen sind in Singapur ansässig, die weiteren Lieferketten reichen bis in die gesamte Asian-Pazifik-Region. Auch als „Logistik-Drehscheibe im ASEAN-Raum“ für viele Unternehmen ein durchaus interessanter Standort.

Das zwischen der EU und der Sozialistischen Republik Vietnam geschlossene Freihandelsabkommen trat im August 2020 in Kraft. Auch dieses Abkommen ist besonders für deutsche Unternehmen interessant, ca. 33 % aller EU-Exporte nach Vietnam stammen aus Deutschland. Es werden für 99 % aller Ursprungserzeugnisse die Importzölle entfallen, für bestimmte sensible Waren gelten jedoch Zollabbaustufen von bis zu 10 Jahren. Es ist sichergestellt, dass die Importzölle der EU nicht höher als die Zölle für die APS-Staaten sind. Beide Freihandelsabkommen sind Abkommen der neueren Generation (WTO-plus-Abkommen). Diese Abkommen gehen nicht nur auf tarifäre Fragen ein, dass Ziel ist, Ursprungsregeln und nicht-tarifäre Maßnahmen zu vereinfachen. Zudem werden Vorteile im Dienstleistungsbereich angestrebt.
Über eine gezieltere Informationspolitik der zuständigen Stellen sollen die wirtschaftlichen Vorteile der modernen Abkommen herausgestellt werden, um so eine stärkere Nutzung durch die Industrie zu gewährleisten. Die bisherige Umsetzung in der Praxis ist leider, dass viele deutsche Unternehmen den Aufwand zur Präferenzabwicklung scheuen und Exporte bzw. Importe nicht präferenzbegünstigt abgewickelt werden. Im Vergleich mit der EU liegt Deutschland leider im hinteren Mittelfeld.

Wo liegen die großen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Präferenzabkommen mit Vietnam und Singapur?

Die wohl größte Gemeinsamkeit betrifft im Export den Zollabbau, fast alle Produkte mit Ursprung EU können zollfrei in Singapur oder Vietnam eingeführt werden. Jedoch wird es in Vietnam im Bereich Kraftfahrzeuge und -teile eine Übergangszeit von 10 Jahren bis zur vollständigen Zollfreiheit geben. Für sensible Agrarprodukte wie z. B. Reis oder Thunfisch bleiben Zollkontingente bestehen. Über die Marktzutrittsdatenbank www.madb.europa.eu kann schnell geprüft werden, ob und wie viel Zoll für das jeweilige Produkt anfallen würde.
Im Import von Singapur in die EU existiert ein „Abbauplan“. Alle Waren mit Ursprung Singapur, die hier nicht aufgeführt sind, können zollfrei in die EU eingeführt werden. Für alle anderen Produkte sind offizielle Abbaustufen definiert.
Die Ursprungsregeln im neuen Präferenzabkommen zwischen der EU und Singapur beziehen sich auf den Ursprung EU bzw. Singapur und verweisen i.d.R. auf den Positionswechsel. Alternativ kommt die Wertschöpfungsregel zur Anwendung, selten eine Kombination aus beidem.

Die Ursprungsregeln im neuen Präferenzabkommen zwischen der EU und Vietnam sind ähnlich wie die Regeln des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) der EU gegenüber Entwicklungsländern, oder in diesem Fall auch Singapur. In der Regel wird auf einen Positionswechsel auf vierstelliger Basis für Vormaterialien ohne Ursprung oder warenabhängig eine Wertschöpfungsregel zwischen 40 bis 70 % verwiesen. Für einige Warengruppen ist sogar die sechsstellige Basis angegeben.
Singapur und Vietnam erwarten als Ursprungsnachweise bei Sendungen unter 6.000 Euro eine Ursprungserklärung auf der Rechnung als Präferenznachweis. Sollte der Warenwert darüber liegen, ist im Handel mit Singapur zwingend der Ermächtigte Ausführer erforderlich. Im Handel mit Vietnam ist die Registrierung zum REX die einzige Voraussetzung.
Übrigens dürfen Singapur und Vietnam nun auf allen (Langzeit-) Lieferantenerklärungen angegeben werden.
Im Handel mit Vietnam gibt es zur Zeit noch die Besonderheit, dass der Zoll eine nicht-konforme blaue EUR.1, deren Hintergrund aus einen guillochierten Überdruck in Blau statt in Grün ausweist, nicht anerkennt.

„Die Konkurrenz schläft nicht“

Unternehmen, die international tätig sind, oder ihren Handel dahingehend ausbauen möchten, sollten die Vorteile von Präferenzabkommen in Bezug auf die eigene Produktpalette genau kennen. Dazu gehört nicht nur allgemeines Wissen, sondern auch die Sicherstellung der zollfachlichen Anwendung durch die jeweiligen Mitarbeiter. Regelmäßige zollfachliche Schulungen sind somit unerlässlich geworden.

Mit einer einfachen Prüflogik können Unternehmen einen Prozess implementieren, ob die eigenen Produkte von den Präferenzabkommen profitieren:

  • Ist das zu prüfende Produkt zollpflichtig?
  • Wenn ja, existiert ein Präferenzabkommen mit dem jeweiligen Drittland?
  • Wenn ja, ist das zu prüfende Produkt als präferenzberechtigt ausgewiesen?
  • Wenn ja, welche Ursprungsregeln sind zu beachten?
  • Prüfung der formellen Bestimmungen: Welche Präferenznachweise werden benötigt?

Freihandelsabkommen bieten einheitliche Strukturen und Qualitätsstandards und schließen zeitgleich diejenigen Staaten aus, die nicht Vertragspartner sind. Mit vergleichbaren Standards und Normen wird Transparenz im Verbraucherschutz geschaffen. Mit den neuen WTO-plus-Abkommen werden z. B. auch Regelungen zum Investitionsschutz oder zum Urheberrecht betrachtet. Es entsteht mehr Rechtssicherheit, der Warenverkehr wird durch eine zügigere Zollabwicklung beschleunigt. Volkswirtschaftlich betrachtet unterstützen Freihandelsabkommen das Wirtschaftswachstum der beteiligten Staaten.

Regina Schmidt (8.10.2020)